Logo
Morbus Dei: Die Ankunft


Rezensionen     zurück



amazon.de
    

facebook

haymon verlag

Morbus Dei: Inferno  

Leseproben



Leseprobe 1:
EIn der blutroten Morgendämmerung warf die Säule einen langen Schatten über den Hügel. Sie war mit kunstvollen Steinbögen verbunden, die teilweise jedoch eingefallen oder beschädigt waren. Rund um den Tabernakelpfeiler reihten sich Figuren, die Kreuzigung, Geißelung und Dornenkrönung Jesu darstellend.Alles zusammen bildete eine gut acht Klafter hohe Säule – die Spinnerin am Kreuz.
Sie begrüßte jeden, der sich Wien von Süden näherte, ob Reisenden oder Eroberer, und sie war auch das Erste, was Johann und Elisabeth von der Stadt sahen. Dann erreichten sie den Wienerberg, der Anblick, der sich ihnen von oben auf die Stadt bot, war überwältigend. Vor ihnen lag Wien, eingefasst von einer im Zickzack verlaufenden Stadtmauer mit vorgelagerten Basteien, die nur über Brücken erreichbar waren.
Davor lag das weitläufige Glacis, eine unbebaute Schutzzone, die nach der letzten Türkenbelagerung angelegt worden war, um Belagerern keine Deckung zu bieten. Dann reihten sich die Vorstädte halbkreisförmig aneinander und endeten am Ufer der Donau, die Wien im Norden einrahmte.
Die alte Kaiserstadt ragte wie eine uneinnehmbare Bastion aus der Ebene.
"Johann, das ist – unglaublich." Elisabeth erinnerte sich daran, wie sie über Innsbruck gestaunt hatte, aber das hier war mit nichts vergleichbar.
Auch Johann war beeindruckt. "Kein Wunder, dass die Türken Wien nicht einnehmen konnten."
Sie gingen weiter, näherten sich der Spinnerin. Neben der Säule standen zwei Richträder, die an Pfählen festgebunden waren. Raben kreisten um die Speichen und die Überreste der Gerichteten.
Elisabeth wendete angewidert den Blick ab.
Johann legte den Arm um sie. "Es wird alles gut. Wenn wir erst weg sind, wenn wir in Siebenbürgen sind, ist all das vergessen."
Sie blickte um sich, sah die Richträder, dahinter die mächtige Stadt, die in der Sonne erstrahlte. Es war Tag, und doch hatte Elisabeth das überwältigende Gefühl, dass die Dunkelheit Johann und sie schon bald verschlucken würde. Es war der einundzwanzigste März, der Frühling hatte begonnen.
Im Zeichen des Aries.


© 2012 Zach / Bauer



Leseprobe 2:
Der prunkvolle Saal im Hause der Gesellschaft Jesu hatte nichts von seiner Pracht eingebüßt, seit von Freising hier das letzte Mal Bericht erstattet hatte. Sooft er den Raum auch schon gesehen hatte, er war immer wieder beeindruckt, besonders von dem riesigen Wandfresko, auf dem Ignatius von Loyola die Bulle "Regimini Militantis Ecclesiae " von Papst Paul III. entgegennahm.
Dies war der Beginn der Gesellschaft Jesu.
Seines Ordens.
Vor dem Fresko stand ein langer Eichentisch, prunkvoll verziert, dahinter thronte Franz Anton von Harrach zu Rorau, Bischof von Wien. Neben ihm hatten die vier Oberen der Wiener Orden Platz genommen.
Links vom Bischof saßen Pater Virgil Albert, Oberster der Gemeinschaft Jesu und langjähriger Vertrauter von Freisings, neben ihm Pater Heinrich Thomas von Reuß, ein Kapuziner.
Zur Rechten des Bischofs saß der Dominikaner Pater Bernardus Wehrden, wachsam und starr wie eine Statue. Etwas abgerückt von ihm hatte Bruder Jeremias Kleiner von den Franziskanern Platz genommen
Und vor den fünf Männern, auf einem kleinen Tisch, saß von Freising und ordnete seine Notizen. Hinter ihm, etwas versetzt, kauerte Basilius, der desinteressiert die Fresken anstarrte.
Es war still im Raum, alles schien innezuhalten. Von Freising kam es vor, als waren sie Teile eines Bildes.
Dann durchbrach der Bariton des Bischofs die Stille. "Gott zum Gruße, Bruder von Freising! Ich freue mich, Euch persönlich in Wien begrüßen zu dürfen. Besonders da mein geschätzter Vorgänger, Gott habe ihn selig, so viel Gutes über Euch zu berichten wusste. Ebenfalls begrüßen darf ich meine lieben Mitbrüder zu meiner Linken und Rechten, die ja schon mehrmals in den Genuss Eurer Reiseberichte kommen durften."
Dass der neue Bischof redselig war, hatte von Freising bereits gehört, aber mit dieser überschwänglichen Eröffnung hatte er nicht gerechnet.
"Und da ich Euren Erzählungen bestimmt ebenso entgegenfiebere wie alle hier im Raum, bitte ich Euch sogleich zu beginnen." Der Bischof lehnte sich in seinem überdimensioniert wirkenden Stuhl zurück, legte die Hände auf seinen Wamst und machte ein Gesicht, als würde er die Erscheinung der Jungfrau Maria erwarten.
Von Freising passte sich unbewusst der weihevollen Art des Bischofs an, räusperte sich theatralisch und blätterte die erste Seite seiner Notizen auf. "Zunächst darf ich Euch für Eure freundlichen Worte danken. Ich komme gleich zur Sache, denn ich weiß, dass eure Zeit knapp ist, besonders die von Bruder Bernardus."
Den Seitenhieb hatte er sich nicht verkneifen können – jeder im Raum wusste, dass der Dominikaner der offizielle Beauftrage für alle hochnotpeinlichen Befragungen war. Die unterirdischen Kerker der Dominikaner waren voll mit Unglücklichen, die sich der Tortur aussetzen mussten. Von Bernardus hieß es, dass er die Befragungen gern höchstpersönlich durchführte, obwohl er dazu nicht verpflichtet war.
Von Freising hatte ihn einmal gesehen, als er einem Delinquenten in den Dominikanergewölben die letzte Beichte abgenommen hatte: Bernardus war durch die Gänge geschritten, in denen die Schreie der Gefolterten widerhallten, das Gesicht des Dominikaners war gerötet, mit Augen, die wie im Fieber glänzten, die fleischigen Lippen aufeinandergepresst. Das weiße Ordensgewand war mit Blutflecken übersät, für von Freising hatte er ausgesehen wie ein Fleischhauer und nicht wie ein Mönch, der Gottes Werkt tat.
"Fahrt fort, Bruder." Der Bischof machte eine Handbewegung. Bernardus' Blick durchbohrte von Freising, er enthielt sich aber jeden Kommentars.
Von Freising begann zu erzählen, sein Reisebericht umfasste die letzten drei Jahre, die ihn, von Wien ausgehend, bis in den hohen Norden ins Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, über das Königreich Frankreich bis nach Spanien geführt hatten.
Er versicherte, dass er, sofern es ihm irgendwie möglich war, allen Berichten über Erscheinungen, Besessenheiten und Wunder nachgegangen war. Er habe mit vermeintlichen Augenzeugen, Angehörigen und Oberen gesprochen und die Stätten des Geschehens aufs Genaueste untersucht. Aber wie immer hatten sich die meisten Berichte als nicht nachhaltig oder einfach frei erfunden erwiesen, oftmals angetrieben von Neid und Missgunst.
Manches verschwieg er.
Er erzählte nichts über das Bauernmädchen in der verdorrten Heidelandschaft, das sich in Krämpfen gewunden hatte und in fremden Zungen sprach, bis von Freising nach tagelangen Gebeten ihre Heilung erreicht hatte.
Er erzählte nichts von den Vorfällen in den Höhlen, tief in den spanischen Bergen.
Wenn er es getan hätte, wäre bereits ein Tross von Dominikanern und anderen Kettenhunden auf dem Weg, um alle, die mit den Fällen zu tun hatten, zu befragen. Und was dann folgte – das wusste von Freising nur zu genau.
Er hatte einmal den Fehler begangen, in diesem Saal zu viel von der Wahrheit zu sprechen. Er würde ihn nicht mehr machen.

© 2012 Zach / Bauer



Leseprobe 3:
Gerüchte von der Rückkehr des schwarzen Todes senkten sich wie ein Leichentuch über die Stadt, geschürt von Stadtschreiern, die mit Glockengeläut zu Vorsichtsmaßnahmen riefen, ohne das Wort Pest in den Mund zu nehmen.
In den Kirchen fanden sich viele Bürger ein und gaben sich dem Gebet und der Beichte ihrer Sünden hin. Manche geißelten sich dafür. Andere reinigten sich mit Essigwasser oder nahmen Theriak ein, kauten Wacholderbeeren und Angelikawurzeln oder versuchten, sich mit Aderlässen zu stärken.
Viele schlachteten ihre Nutz- und Haustiere und verscharrten sie eilig in der Hoffnung, sich der Überbringer der Pest entledigt zu haben.
Doch die Angst vor einer Infektion blieb alles beherrschend. Die Gefahr lauerte überall, da manche der Kranken zu rasenden Bestien geworden waren und Gesunde anfielen. Allerdings verbargen sie sich untertags in Kellerlöchern und kamen nur zur Nacht heraus, niemand wusste warum.
Die meisten der Kranken verhielten sich jedoch nicht so. Allen gemein waren seltsame Zeichen, die man dieser neuen Form der Pest zuschrieb: Schwarze Adern, die sich über den Körper zogen, manche Gesichter totenblass, andere hatten verschorfte Zähne. Sie verbargen ihre Körper und Gesichter unter Kleidern und Tüchern, suchten Hilfe bei den Gesunden, die sie jedoch nicht zu berühren wagten und mieden.
So wurden die Wachen der Infizierten leicht habhaft. Mit den Kranken trieben sie auch gleich alle Bettler, Tagelöhner und unliebsame Tunichtgute ins Viertel. Die Rasenden wurden aus ihren unterirdischen Verstecken gezerrt, in Ketten gelegt und ebenfalls in das Viertel abtransportiert, das immer mehr zu einer belagerten Stadt wurde.
Die übrigen Straßen und Gassen Wiens waren wie ausgestorben, einzig Stadtguardia und Rumorwache patrouillierten unermüdlich. Nur wer Unaufschiebbares zu tun hatte, eilte durch die Stadt, die meisten Marktständler hatten ihre Waren gepackt und waren durch die Stadttore geflohen.
Bei Sonnenuntergang glich Wien einer Geisterstadt.


© 2012 Zach / Bauer
Impressum